Der Ruhestand mit dem Beginn der Altersrente muss nicht per Definition das Ende jeglicher Berufstätigkeit einleiten. Im Gegenteil: Das Thema Arbeit im Alter ist Gegenstand intensiver Debatten. Denn einerseits steigt die Wertschätzung erfahrener und kompetenter Mitarbeiter spürbar an, weil Blick auf langjährige Angestellte sich geändert hat. Andererseits zollt die Gesellschaft der veränderten Demografie Tribut und steuert in einigen Bereichen auf einen Fachkräftemangel zu. Doch wenn es – salopp formuliert – die Alten richten sollen, wie kann dies gelingen? Und wie viele ältere Menschen wollen oder müssen aufgrund einer zu niedrigen Rente diesen Schritt realisieren? Das Thema zeigt sich komplex, wirft Fragen auf, es verursacht durchaus Dissens, aber auch konstruktive Perspektiven.
Berufstätig trotz Rente?
- Jahrelang zeigte sich in Deutschland der Trend zur Frühverrentung. Politische Fördermaßnahmen wirkten und wirken dieser Entwicklung ebenso explizit entgegen. Als direkte Folge dieser Interventionen wächst seit rund zehn Jahren die Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen, gleichzeitig steigt das Renteneintrittsalter. Ebenso sind wieder vermehrt Menschen über 65 Jahren in ihrem Beruf tätig. Zu der Entwicklung ein paar ausgewählte Zahlen und Kennwerte:
- Laut Bundesarbeitsministerium (2018) steigt die Zahl erwerbstätiger Rentner deutlich an: Waren es im Jahre 2000 nur drei Prozent, so sind derzeit rund acht Prozent der Rentner und Rentnerinnen beruflich aktiv. Folglich verdient sich jeder Zwölfte – rund 1,45 Millionen Senioren – im Ruhestand etwas hinzu.
- Eine sehr interessante Statistik über das Verhältnis von Altersgruppe und Motivation im Beruf findet sich auf Statista. Demnach nimmt der Anteil jener Arbeitnehmer, die hochmotiviert tätig sind, mit steigenden Alter zu.
- Die Zeit verdeutlicht in einem Artikel aus dem Jahre 2018 auf Basis vorliegender Informationen des Statistischen Bundesamtes, dass Ende 2017 etwa 17,7 Millionen Menschen in Deutschland 65 Jahre oder älter waren – ein Wert über 20 %. Und diese Entwicklung nimmt sogar an Fahrt auf, wenn ab 2020 geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen. Das Statistische Bundesamt prognostizierte für das Jahr 2060, dass zu diesem Zeitpunkt rund 23,7 Millionen Menschen über 65 Jahre in Deutschland leben könnten.
- Die skizzierte Entwicklung wird sowohl von der Politik als auch von den älteren Menschen durchaus kontrovers rezipiert. Sie ist Gegenstand teils emotional geführter Diskussionen, in denen beide Seiten jeweils ihre Argumente einbringen.
- Für junge und alte Arbeitnehmer beziehungsweise Selbstständige gilt allerdings, dass die Bedingungen im Alter stimmen müssen. Dazu zählen Lohn bzw. Anerkennung, Arbeitszeiten, Inhalte der Tätigkeit sowie die Ausstattung mit den angemessenen Arbeitsmitteln. Im höheren Alter dient die ergonomische Optimierung des Arbeitsplatzes auch dazu, bekannte altersbegleitende Defizite (abnehmende Sehstärke, Schwerhörigkeit, leichtes Zittern in den Fingern, motorische Einschränkungen, Reduktion der Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit) bestmöglich zu kompensieren. Optimierte Bedingungen stellen zusammengefasst sicher, dass Senioren und Seniorinnen ihre Expertise ohne Reibungsverlust einbringen können. Respekt vor dem Alter tritt als sozialer Aspekt im Betrieb sicher hinzu.
Altersarbeit in der kontroversen Diskussion
Es ist kein Zufall, dass über das Thema Arbeit im Alter verstärkt öffentlich gesprochen wird. Gesellschaftliche Entwicklungen oder neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft bzw. Forschung stoßen den Diskurs an.
Wer davon ausgeht, dass zum Thema Berufstätigkeit im höheren Alter eine einhellige Meinung oder eine konsistente Diskussionslage existiert, irrt gewaltig. Die Thematik polarisiert, triggert bisweilen emotional und ist eng mit politischen, sozialen, wirtschaftlichen, aber eben auch mit der jeweils persönlichen Situation verbunden.
Deutlich wird, dass sich die Auseinandersetzungen über zunehmende Altersarbeit sowohl aus demografischen wie aus defizitären Aspekten speisen: Während die aktuelle Entwicklung von einigen politischen Protagonisten als Erfolg und somit als angemessene Reaktion auf den demografischen Wandel kommuniziert wird, warnen im Gegenzug die Gewerkschaften und Sozialverbände davor, dass immer mehr alte Menschen wegen zu niedriger Renten im letzten Lebensabschnitt arbeiten müssen.
Dieser Disput rührt offensichtlich daher, dass der komplexe Gegenstand der Arbeit im höheren Alter jeweils aus einer bestimmten Perspektive betrachtet wird: wirtschaftlich-funktional versus individuell, defizitär versus chancenorientiert.
Derartige Blickwinkel haben immer ihre Berechtigung, sollten aber nie alleine stehen, weil sie den vielgestaltigen Sachverhalt sonst unter Missachtung weitere Aspekte simplifizieren. Beispielsweise kommt mitunter die Frage zu kurz, wie groß denn der Wunsch nach Berufstätigkeit im Rentenalter überhaupt ist – Chance oder Zumutung, Ausbeutung oder Wertschätzung?
Pauschal sind diese Fragen sicher nicht zu klären. Sowohl die Art des Berufs als auch die Situation der jeweiligen Menschen (sozial, finanziell, gesundheitlich und motivational) müssen beachtet werden. Für einige ältere Semester sind Tätigkeiten in der Rentenzeit zudem ein Teil ihres Selbstverständnisses, ihres Selbstwerts – auch dies sollte einbezogen werden.
Demografie – demografischer Wandel
Die Demografie beschreibt Veränderungen und Tendenzen der Bevölkerungsentwicklung eines Landes. Dabei stellt der demografische Wandel ein multidimensionales Konzept dar, welches sowohl die Altersstruktur der Bevölkerung, den zahlenmäßigen Anteil von Männern und Frauen, Migrationsprozesse sowie die Entwicklung der Geburten- und Sterbezahlen beschreibt und abbildet.
Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen weiteren europäischen Ländern altert die Gesellschaft vergleichsweise deutlich. Verschiedene Faktoren leisten ihren Anteil, dass die Menschen ein immer höheres Alter erreichen. Weil die Lebenserwartung über die Jahrzehnte stetig gestiegen ist, gehen für das Jahr 2060 einige Prognosen davon aus, dass jeder Dritte mindestens 65 Jahre alt sein wird, so die Bundeszentrale für politische Bildung.
Vor allem die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts bewegen sich auf das Rentenalter zu – Babyboomer wurden sie genannt. Politiker und Experten diskutieren seit Jahren verstärkt – wie oben erwähnt mit unterschiedlichen Auffassungen – darüber, ob diese Generation den demografisch mitbedingten Arbeitskräfterückgang auffangen kann. Und wenn ja, wie?
Konkret bedeutet dies eine Tätigkeit über das Renteneintrittsalter hinaus, die nur gelingen kann, wenn Motivation der älteren Arbeitnehmer, die jeweiligen Arbeitsbedingungen, Inhalte und Entlohnung passen. Daher reicht das Spektrum der Reaktionen von Interesse bis Empörung. Es herrscht Klärungs-, Erklärungs- und Begründungsbedarf. Etwa bei der Frage, was Generationengerechtigkeit in einer alternden Gesellschaft bedeutet.
Zu niedrige Rente
Fast jede zweite gesetzliche Altersrente liegt hierzulande unter 800 Euro. Finanzielle Engpässe im Alter zeigen nicht nur strukturelle Probleme der gerechten Entlohnung an, sie vermitteln zudem fehlenden Respekt für Menschen, die ihr Leben lang funktioniert haben.
Das Thema der (zu) niedrigen Renten zieht dabei besonders intensive Debatten nach sich, wirkt emotional aufgeladen. Nicht ohne Grund: Laut OECD (mehr Details in diesem Artikel) nahm die Beschäftigungsrate Älterer (genauer: der 55- bis 64-Jährigen) in Deutschland seit dem Jahr 2000 um 34 % zu. Der OECD-Schnitt liegt hingegen nur bei 18 %.
Die Gruppe der Selbstständigen, der Frauen und der Geringverdiener ist besonders von knappen Renten betroffen. Man sollte wissen, dass ein Vollzeitarbeitnehmer beim Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt im Jahre 2018 im Rentenalter später mit vergleichsweise geringen Bezügen rechnen muss. Sie betragen etwa 52 % vom letzten Lohn, der OECD-Durchschnitt weist hingegen 59 % aus.
Mit der geplanten Grundrente soll dieses Defizit 2021 angegangen werden. Es gilt, diesen Schritt anschließend genau zu evaluieren und dabei den konkreten Nutzen für die Betroffenen zu prüfen.
Nicht wenige Menschen mit unzulänglicher Rente versuchen daher, ihre Finanzsituation mit Arbeit oder geringfügigen Beschäftigungen zu verbessern. Allerdings ist nicht jeder Senior oder jede Seniorin gleichermaßen betroffen: Einige erhalten zusätzliche Einkünfte aus Kapitalerträgen, aus Mieteinnahmen oder aus ihrer privaten Altersvorsorge. Andere bessern die finanzielle Lage im hohen Alter durch mögliche Betriebsrenten-Ansprüche auf.
Die Situation pauschal zu beurteilen, greift infolgedessen zu kurz – das Problem der zu niedrigen Renten für einige gesellschaftliche Gruppen kleinzureden, ebenfalls.
Wertschätzung jahrelanger Berufserfahrung
Einerseits lassen Sehkraft, körperliche Fitness und Belastbarkeit im Alter nach. Mitunter reduziert sich mit zunehmenden Lebensalter auch die Bereitschaft, sich auf neue Technologien einzulassen. Das ist bekannt, zudem völlig normal und variiert dennoch deutlich zwischen den jeweiligen Individuen.
Doch während lange Zeit die Nachteile der Alterung – und Möglichkeiten der anteiligen Kompensation – ausgiebig beleuchtet worden sind, erfolgt erst seit geraumer Zeit ein Perspektivenwechsel: Ältere Beschäftigte, Senioren, Frührentner und Rentner bringen natürlich ebenso Kompetenzen und Erfahrungen von Wert mit. Diese „Schätze“ und wirtschaftlich relevanten Potenziale decken ganz unterschiedliche Bereiche ab.
- Firmen profitieren von der langjährigen Erfahrung ihrer Mitarbeiter, diese verfügen über Know-how und Expertise, kennen Strukturen und Kommunikationswege.
- Mentale Stärken wie Gelassenheit und Souveränität fußen auf Lebenserfahrung und tragen zu positiven Abläufe bei, sie leisten ihren Part, um Krisen zu meistern.
- Alte Menschen sind oft in der Lage, jüngere Mitarbeiter empathisch anzuleiten.
- Erfahrene Angestellte sind gut vernetzt und besitzen meist einen Überblick, der durchaus über ihr eigenes Tätigkeitsfeld hinausgehend kann. Stichwort: Weisheit.
- Jahrelange Arbeit zieht fast immer einen Wissensschatz und wertvolle Detailkenntnisse nach sich, alte Mitarbeiter sind häufig versierte Vollprofis.
- Ältere Menschen, die ihren Beruf jahrzehntelang gerne ausgeübt haben, sind sehr, meist sogar überdurchschnittlich motiviert.
Warum wollen einige Menschen ihren Beruf im höheren Alter ausüben?
Während sich nicht wenige Berufsveteranen darauf freuen, nach jahrelanger Tätigkeit – mitunter auch Plackerei – endlich den verdienten Ruhestand zu genießen, wollen andere Menschen diesen Weg nicht beschreiten. Die interindividuellen Unterschiede fallen beträchtlich aus; Lebensentwürfe und Gestaltungsmöglichkeiten differieren.
Werden ältere Semester nach den Gründen gefragt, warum sie ihren Beruf noch im hohen Alter ausüben wollen, dann fallen mehrere Antworten, die sich wie folgt systematisieren lassen:
- Die Menschen treibt der Wunsch nach sinnvoller Beschäftigung, nach einer motivierenden Aufgabe im Alter an.
- Mitunter stand die Tätigkeit derart im Zentrum des Lebens, dass sie als ambitioniertes „Hobby“ fortgeführt wird. Der Beruf ist Teil der Selbstverwirklichung und somit eine bedeutsame positive Stütze.
- Ältere Frauen und Männer, die sich physisch und psychisch noch sehr fit und vital fühlen, möchten ihr eigenes Potenzial schlichtweg produktiv nutzen. Dabei spielt der Wunsch, der Gesellschaft die eigenen Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, ebenfalls eine Rolle.
- Die langjährige Tätigkeit stellt einen Fixpunkt im Leben dar, taktet Tagesablauf, bietet Struktur, vermittelt Freude und stärkt den persönlichen Selbstwert.
- Im Rahmen sozialer Tätigkeiten führen die dort ablaufenden Interaktionen und Kommunikationen dazu, dass sich die arbeitenden Rentner und Rentnerinnen selbst besser eingebunden fühlen. Steter Kontakt zu anderen Menschen wird häufig positiv erlebt.
- Auf der Gegenseite führen mitunter finanzielle Probleme dazu, im hohen Alter weiterzuarbeiten. Wer im Niedriglohnsektor tätig war, dessen Rentenniveau reicht nach jahrzehntelanger Arbeit häufig nicht aus (siehe oben). Dass dieser Zustand aus politischer und sozialer Perspektive in modernen Gesellschaften ein Armutszeugnis darstellt, schlägt sich in mitunter hitzigen Debatten über Altersarmut nieder.
- Die Finanzierung eines persönlichen Wunsches oder Traumes kann ebenfalls dazu antreiben, im Alter angestellt oder gar selbstständig zu arbeiten.
Verschiedene Modelle – Senioren im Beruf
Unterschiedliche Modelle bieten Rentnern und älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit, länger oder wieder am Berufsleben zu partizipieren. Einige Ansätze stecken noch mitten in der Entwicklung, sind begleitet von offenen Fragen. Lange fehlte es an realistischen Ansätzen mit altersangemessenem und fairen Charakter. Derzeit finden sich durchaus unterschiedliche Optionen, um Geld zu verdienen und weiterhin beruflich aktiv sein zu können. Sie werden kurz skizziert:
- Ehrenamtliche Tätigkeiten
Ehrenamtliche Helfer tragen zum Funktionieren der Gesellschaft bei und werden häufig gesucht. Beispiele stellen Tafeln, Kleidersammelstellen, Kinderbetreuung oder Fahrdienste dar. Obgleich die Aufwandsentschädigung in Relation zu einem normalen Lohn deutlich geringer ausfällt, unterstützt das Ehrenamt einige Menschen anteilig dabei, knappe Finanzen aufzubessern. Inhaltlich vermitteln zumindest einige Aufgaben Halt im Leben; sie bieten sozialen Kontakt und das Gefühl, etwas Nützliches zu leisten. Die lange Lebenserfahrung sowie empathische Fähigkeiten wirken sich dabei oftmals vorteilhaft aus. - Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung im Rentenalter
450 € Jobs machen den Großteil (rund 50 %) jener Arbeiten aus, die erwerbstätige Senioren leisten. Ihnen geht es oft darum, die Rente aufzubessern, ohne dass die geringfügigen Einnahmen auf selbige angerechnet werden. Es sind Hilfsarbeiten wie Hausmeistertätigkeiten, Dienste als Nachtwächter, Hilfe im Einzelhandel oder das frühmorgendliche Zustellen von Zeitungen. Ohne Stellungnahme kann die geringfügige Beschäftigung hier allerdings nicht gelistet werden. Denn das nötige Aufbessern der Rente nach jahrzehntelanger Beschäftigung hinterlässt einen zweifelhaften Beigeschmack: politisch, sozial und ethisch. So positiv die Möglichkeit des kleinen Zusatzverdienstes, um über die Runden zu kommen, so diskussions- bis unwürdig die Situation verarmter Rentner. - Fortführung des Berufs auf Teilzeitbasis
Wer seinen Beruf trotz Eintritt in das Rentenalter gerne weiter ausüben möchte, aufgrund der Alters aber nicht mehr so belastbar ist, für den stellt die Teilzeit eine gute Option dar. Die begrenzte Arbeitszeit schützt vor Überforderung und Stress, gleichzeitig kann ein erfahrener Arbeitnehmer mit Motivation seine langjährig erworbenen Kompetenzen einbringen. Natürlich muss die Teilzeitbeschäftigung rechtzeitig mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden. Nur dann kann dieser planen und den richtigen, angemessenen Kontext bereitstellen. - Verlängerte Vollzeit-Arbeit
Verlängerung der bisherigen Tätigkeit in Vollzeit und einem Rahmen, der Altersdefizite wirkungsvoll kompensiert. Wer sich mental und körperlich fit fühlt, seinen Job liebt und als wertvollen Teil des Lebens begreift, möchte vielleicht weiterarbeiten. Aus Sicht jener Menschen, welche ganz bewusst länger arbeiten wollen, ist anzumerken, dass diese Entscheidung rechtzeitig kommuniziert werden sollte. Im Dialog mit Vorgesetzten und/oder dem Chef sollten persönliche Eignung, spezielle Stärken, Vorschläge zur Ausgestaltung (Teilzeit/Vollzeit/Home-Office), Bindung zur Firma, Art der eigenen Leistung sowie der Nutzen für den Betrieb authentisch und überzeugend begründet werden. - Selbstständigkeit
Rund 25 % der Senioren, welche im Rentenalter dennoch arbeiten, sind selbstständig. Sie können sogar einen besonderen Namen ihr Eigen nennen: Silverpreneure. Es tut vielen Menschen schlichtweg gut, der eigene Boss zu sein, das Leben gestalten zu können. Die Arbeit mag in diesem Lebensabschnitt ein leidenschaftliches Hobby sein, oft ist sie aber noch mehr: Selbstverwirklichung und Sinnstiftung. Ob Handel, Beratung oder kulturelles Engagement, die Arbeit wird zur alterstauglichen Aufgabe, bisweilen zur Mission.
Altersentsprechende Bedingungen im Beruf schaffen
Zweifelsohne müssen die jeweiligen Bedingungen altersgerecht gestaltet werden, wenn erfahrene Arbeitnehmer und Selbstständige länger tätig sein wollen. Dabei sind folgende Themenkomplexe zu beachten und jeweils individuell zu bewerten.
- Fairer und angemessener Verdienst
Wer länger arbeitet, tut dies eher nicht für einen Hungerlohn – der Anreiz muss stimmen. Zu diesem Aspekt berichtet die Tagesschau am 25.03.2019, dass die Älteren deutlich mehr als die Jüngeren verdienen und belegt:So erzielten die 55- bis unter 65-Jährigen 2017 im Mittel 3438 Euro im Monat brutto, während es bei den 25- bis unter 55-Jährigen nur 3256 Euro waren.
Zu erwähnen ist darüber hinausgehend, dass der Anteil älterer Selbstständiger im höheren Alter beachtlich hoch ausfällt. Ihre Quote ist vermutlich deshalb bemerkenswert, weil diese Menschen die Arbeit als Selbsterfüllung, als ihr Lebensprojekt begreifen und dementsprechend motiviert und langfristig agieren. - Zeitlich flexible Modelle
Grenzen der Belastbarkeit und individuelle Lebenslagen fordern passgenaue Teilzeitarbeit ein. Eine gelungene Integration von älteren Arbeitnehmern und Senioren in Betrieben zeigt sich nicht nur in Form des altersentsprechenden Inventars, sondern auch durch die Möglichkeit, die Arbeitszeit mit der Belastbarkeit im Alter abzugleichen. Flexible Teilzeit-Modelle sind hierbei ebenso nötig, wie eine realistische Einschätzung der Leistungsfähigkeit. Sowohl aus betrieblicher Perspektive als auch von der Seite des Arbeitnehmers. - Altersentsprechende Anforderungen und Ausrüstung
Mit der Alterung der Beschäftigten schlägt sich der demografische Wandel in Firmen und Verwaltungen nieder. Die Einrichtung und Ausrüstung muss daher auf diese Altersgruppe abgestimmt sein, gängige Probleme wie beispielsweise eine nachlassende Sehkraft auffangen. Nur wenn der Rahmen dem zunehmenden Alter Tribut zollt, können Menschen die Rente zufrieden und gesund erreichen – oder gar länger tätig sein. Die Ergonomie am Arbeitsplatz ist dabei ein entscheidender Faktor – passgenaue individuelle Tools ebenso. Im Artikel Hilfsmittel für Senioren wurden bereits einige praktische Hilfen für den privaten Rahmen diskutiert. Einige von diesen – beispielsweise besonders große Tastaturen – unterstützen erfahrene Semestern ebenfalls beruflich. - Individuelle Eignung, Motivation und Ethik
Die Situation im höheren Lebensalter sowie beim Eintritt in die Rente unterscheidet sich von Mensch zu Mensch deutlich. Während sich einige Frauen und Männer „aufgerieben“ haben, über Beschwerden klagen und den verdienten Ruhestand als Lohn, als Lebensphase zur Selbstverwirklichung ohne Belastungen sehen, weisen andere Individuen Interesse und Energie auf, um weiter in einem passenden Rahmen tätig zu sein. Arbeit im Alter kann nur gelingen, wenn einerseits Motivation auf persönlicher Ebene vorliegt und die Tätigkeit zudem positiv konnotiert wird. Natürlich müssen zudem die mentalen und körperlichen Ressourcen stimmen. So fordern physisch stark belastende oder monotone Tätigkeiten eher ihren Tribut ein, sprich: Nicht in jedem Beruf ist Arbeit im Alter angemessen oder aus einer verantwortungsvollen Perspektive zu empfehlen. Sobald auch nur der Verdacht der Ausbeutung aufkommt, muss die Diskussion im ethischen Bereich geführt werden. - Feedback ermöglichen
Dass ältere Mitarbeiter viel Know-how und Erfahrung einbringen, ist bekannt und unbestritten ein Vorteil. Diese Menschen sind gleichzeitig praktische Experten für altersbedingte Probleme am Arbeitsplatz, weil sie die Problematik schlichtweg selbst erleben. Es wäre daher ein Gewinn, wenn die Mitarbeiter Vorschläge und Ideen zur Verbesserung vor Ort einbringen könnten. Dieser Aspekt verankert die jeweilige Realität in der Kommunikation – er eignet sich natürlich für alle engagierten Angestellten, die gerne mehr partizipieren möchten.
Bewerbung im hohen Alter
Ein relevantes Nebenthema für ältere Semester, die ihre Zukunft bewusst planen oder sich gar nochmals umorientieren wollen, ist die richtige Bewerbung. Diese verläuft im Idealfall wie bei jüngeren Erwerbstätigen.
- Stellenrecherche
- Formelle Bewerbung
- Bewerbungsgespräch
Dass allerdings im Einzelfall die Erfahrung gemacht wird, dass ein Betrieb jüngere – und vergleichsweise günstigere – Mitarbeiter bevorzugt, ist nicht von der Hand zu weisen. Jobsuche über 50 Jahre kann Stress verursachen und Frustrationen auslösen. Niemand mag das Gefühl, „zum alten Eisen“ zu gehören. Ganz davon abgesehen, dass die bekannte Phrase in vielen Berufsfeldern ebenso falsch wie kränkend ist.
Mittlerweile haben sich ausgewählte Info- und Jobportale spezialisiert, sie widmen sich der Zielgruppe der älteren Arbeitnehmer. Beispielsweise die Bundesinitiative Perspektiven 50 plus. Diese berät vor Ort Menschen im (angehenden) Rentenalter, welche in fortgeschrittenen Jahren einer bezahlten Beschäftigung nachgehen wollen. Neben dem Bereitstellen von Informationen erfolgt im Idealfall die Vermittlung einer passenden Tätigkeit.
Darüber hinausgehend wendet sich das Portal an Menschen um die 50 Jahre, welche ihre nächsten Jahrzehnte bewusst und systematisch planen wollen. Dabei deckt die Unterstützung für ältere Arbeitnehmer im Rahmen der Standortbestimmung auch mögliche Neuorientierungen ab. Die Entwicklung und die konkrete Umsetzung beruflicher Perspektiven stehen im Vordergrund.
Fazit
Altersarbeit ist kein Diskussionsgegenstand, der auf Deutschland begrenzt ist, doch die kontroverse Entwicklung ist hierzulande besonders deutlich sicht- und spürbar. Eine beachtliche Vielzahl verschiedener Senioren-Jobs bietet älteren Menschen einerseits die Möglichkeit, im Ruhestand sinnvoll zu agieren oder ihre Finanzen für eine bessere Lebensqualität aufzustocken. Die Einordnung des Trends als pauschal gut oder schlecht bildet die Realität allerdings nicht ab. Zu unterschiedlich fallen individueller Verschleiß, Motivation, Erwartungen an das Leben im höheren Alter, persönliche Bedeutung der Arbeit, die Arbeitsanforderungen selber sowie die Bezahlung aus. In der aktuellen Diskussion herrscht auch deswegen Dissens, weil der Gegenstandsbereich der Altersarbeit häufig zu monothematisch – jeweils aus nur einer Perspektive – beleuchtet wird. Gefordert ist ein multidimensionaler Ansatz, der Chancen und Probleme gleichermaßen abbildet. Idealerweise stellt die Arbeit im Alter eine variable, aushandelbare Option dar. Nicht aber die Kompensation einer Notlage, die wirtschaftliche beziehungsweise politische Fehlentwicklungen – und in direkter Folge wachsende Ungleichheit des Vermögens – kaschiert.